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KOSENAMEN: EIN DEUTSCH-ÄGYPTISCHER VERGLEICH
Anton Umbach (DAAD Lektor)
Aufgrund der emotionalen Struktur des Menschen als soziales Wesen ist
anzunehmen, dass sprachliche Phänomene wie Kosenamen (und auch Schimpfwörter) von
allen Sprachgemeinschaften unsrer Erde verwendet werden und somit als kulturell universal
gelten können. Mutmaßlich gibt es in jeder menschlichen Gesellschaft Bezeichnungen für
eine geliebte Person wie der Partnerin, dem Partner oder den eignen Kindern um auf eine
zärtliche und teilweise auch scherzhafte Weise emotionale Zugehörigkeit und Zuneigung
auszudrücken.
Kosenamen werden in der Sprachwissenschaft auch als Hypokoristika bezeichnet,
was sich aus den griechischen Wörtern
hypo-koristikon
für ‚schmeichelnder Name’ ableiten
lässt (vgl. Bußmann, 2008, S.272). Im Hinblick auf die Semantik und Morphologie spricht
Bußmann von einem „Ausdruck mit verkleinernder oder zärtlicher Bedeutungskomponente,
dessen Bildung durch Suffixe [...], Kurzformen [...] oder Silbenverdopplung [...] erfolgen
kann“ (ebd.).
In pragmatischer Hinsicht sind die Kosenamen von den Spitznamen abzugrenzen.
Spitznamen werden innerhalb bestimmter Gruppen wie zum Beispiel unter Freunden,
innerhalb einer Dorfgemeinschaft, in Schulklassen, Vereinen, etc. verwendet um auf eine
kritische oder humorvolle Weise eine Person zu benennen. Sie können zur Anrede dieser
Person genutzt werden oder beim Reden über diese Person verwendet werden, wobei die
Person mitunter nicht mal von dem Spitznamen, mit dem sie belegt ist wissen muss (vgl.
Spillner, 2011, S. 263). Eine kommunikative Verwendung von Kosenamen kommt nur in
Zweierbeziehungen bzw. innerhalb der Kernfamilie vor. Spillner (ebd.)spricht hier von
einer intimen Relation, die „anerkennend, schmeichelnd, positiv wertend, humorvoll
[
und
]
emotional“ ausgedrückt wird.
Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, ob sich im Vergleich zwischen dem
Deutschen und dem ägyptischen Arabisch partielle Äquivalenz hinsichtlich der Semantik
und der morphologischen Bildung von Kosenamen feststellen lässt. Um die Semantik
vergleichen zu können, soll das Spektrum der Wortfelder verglichen werden denen die
Kosenamen entspringen.Anschließend wird auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer
morphologischen Bildung eingegangen.
Eine theoretische Hinführung soll einige für diese Untersuchung wichtige
Arbeitsbegriffe vorstellen und definieren und den darauffolgenden empirischen Teil dieser
Arbeit auf eine fundierte Grundlage stellen.
Nachdem zehn ägyptische und neun deutsche Studierende mittels eines Fragebogens
(siehe Anhang) gebeten wurden Kosenamen aufzuschreiben, die Ihnen in ihrer Sprache als
gängig erscheinen, wurden anhand dieser generierten Daten zwei Teilkorpora erstellt. Ein
Korpus enthält die Nennungen der deutschen Kosenamen und ein Korpus die Nennungen
der ägyptischen Kosenamen. Um Musterhaftigkeit beizubehalten und die Aufnahme von
Neologismen in die Korpora zu vermeiden, wurde sich hier nur auf Kosenamen zwischen
(Ehe-)Partnern und für die eigenen Kinder beschränkt. Auf den Bereich der Spitznamen,
also freundschaftlich motivierte Benennungen einer Person innerhalb eines größeren
sozialen Gefüges wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen. Die Korpora werden
dann hinsichtlich der Wortfelder, denen sich die Lexeme zuordnen lassen und
morphologischer Auffälligkeiten wie Possessivität, Diminutive, und Wortreihung analysiert.
Die Ergebnisse werden sprachvergleichend dargestellt und erörtert.
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Bei der Auswertung der Daten wird nicht ausschließlich quantitativ, sondern auch
qualitativ-explorativ und interpretative vorgegangen. Aus diesem Grund tritt der
Forschende, der zeitweilig als teilnehmender Beobachter agierte in der Beschreibung der
Methodik in der ich-Form in Erscheinung.
Die Feststellung von Äquivalenzen zweier Sprachen verlangt ein komplizierteres
methodisches Vorgehen als die Analyse einzelner Übersetzungsäquivalente. Eine
einheitliche Einteilung der Wortfelder hat sich im Rahmen dieser Arbeit als schwierig
erwiesen, da sie dem Forschenden eine gewisse explorativ-interpretative Kompetenz
abverlangt. Die Ergebnisse zeigen allerdings das sich das gewählte Vorgehen als
erkenntnisgewinnend und nicht unmöglich erweist.
Die Arbeit versteht sich aufgrund der eher geringen Datenmenge als Pilotierung. Es
bleibt anzunehmen, dass für beide Sprachen hinsichtlich der Verwendung von Kosenamen
mehr Wortfelder ermittelt werden können, wenn mehr Probanden befragt werden würden.
Eventuell ließen sich für das Deutsche Wortfelder erschließen, die auf der Datengrundlage
diese Studie bislang nur im Ägyptisch-Arabischen vorkommen. Auch die Wahl der
Probanden könnte einen Einfluss auf das sich ergebene Wortfeldspektrum haben.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die größere Alterspanne der ägyptischen
Probanden einen Einfluss auf die größere Vielfalt des Arabischen gegenüber dem
Deutschen hat. Um die in dieser Arbeit generierten Erkenntnisse zu festigen, müsste in einer
weiterführenden Arbeit das Korpus erweitert werden. Ein größeres Korpus, würde mehr
Neologismen aufweisen, die wiederum selbst Gegenstand der Forschung sein können. Es
bleibt zu überprüfen, ob sie durch eine ähnliche Vorgehensweise gebildet werden wie die in
dieser Studie gesammelten gängigen Kosenamen. Eine solche weiterführende Studie hätte
sich zum Ziel zu setzten die kulturspezifische Bildung von Kosenamen in
Zweierbeziehungen aufzudecken.
Die Erkenntnisse, die sich durch kontrastive Untersuchungen ergeben, sind zu
didaktisieren und in die Lehr- und Lernprozesse des Fremdsprachenunterrichts
aufzunehmen. Eine Didaktisierung der Erkenntnisse dieser Arbeit eignete sich besonders für
den DaF-Unterricht mit homogenen Klassen arabischer Muttersprachler oder Lerner des
arabischen mit deutscher Muttersprache. Sich im Unterricht mit Kosenamen zu beschäftigen
sensibilisiert die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer hinsichtlich kultureller
Gemeinsamkeiten (in beiden Sprachen werden Kosenamen verwendet) und dem
ästhetischen Gebrauch von Sprache.
Weiterführende Studien, die auch andere Sprachen in die Erforschung
miteinbeziehen, könnten Aufschluss darüber geben, ob die Verwendung von Kosenamen ein
generelles kulturell-universales Phänomen sind.
LITERATURVERZEICHNIS:
1.
Bußmann, Hadumod(2008):
Lexikon der Sprachwissenschaft
. Vierte,
durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage, Stuttgart: Alfred Kröner Verlag
2.
Matta, Hilda (2017):
Das Wortfeld „Zeiteinteilung“ im Deutschen und Ägyptisch-
Arabischen. Eine lexikologische, kulturvergleichende Studie
. In: Fisch, Michael und
AboulFotouh Salama, Dalia (Hrsg.). Beiträge zur transkulturellen Wissenschaft Band 4; Die
Wissenschaft ist ein Meer ohne Ufer; Beiträge zum Forschungskolloquium an der Abteilung
für Germanistik der Universität Kairo, Berlin: WEIDLER Buchverlag
3.
Spillner, Bernd (2011):
Kosenamen von deutschen Jugendlichen
. EdituraMega.
Abrufbar unter: http://www.diacronia.ro/ro/indexing/details/V1435/pdf(Zugriff:22.01.2019)
4.
Tekin, Özlem (2012):
Grundlagen der Kontrastiven Linguistik in Theorie und
Praxis
. München: Stauffenberg Verlag
5.
Wanzeck, Christiane (2010):
Lexikologie: Beschreibung von Wort und Wortschatz
im Deutschen
. Göttingen: Vandenhoeck& Ruprecht