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NEUE MEDIEN IM DAF-UNTERRICHT
O.S. Eshonkulov (SamSIFL)
Heute wachsen Kinder und Jugendliche inmitten einer Medienwelt auf. Dabei
dominieren audiovisuelle Medien: Fernsehen und Computer sind die Leitmedien der jungen
Generation.
Zugleich gilt Lernerzentrierung als Leitlinie in der Unterrichtsgestaltung. Heißt
Lernerzentrierung aber nicht auch, unterrichtsbezogene Entscheidungen an der
Erfahrungswelt der Schüler und Schülerinnen (SuS), ihren Bedürfnissen, ihrer
Ausgangslage und ihren Interessen und Erwartungen zu orientieren? Dies betrifft sowohl
die Inhalte wie auch die Wege des Wissenserwerbs. Welche Rolle können Neue Medien
dabei spielen? Wie sind ihre Potentiale, wo liegen ihre Grenzen? Auf diese Fragen möchte
ich – ausgehend von der Fachliteratur und eigenen Erfahrungen – Antworten suchen.
Die Rolle der neuen Medien im FSU
. Die Integration der neuen Medien in den
Sprachunterricht kann auf dreifache Weise erfolgen:
1) Sie können als Sprachthema im Sinne der Medienerziehung einbezogen werden.
2) Sie eignen sich als Anregung zur Sprachreflexion und zu kreativem Umgang mit
der Sprache, z.B. in Chats und SMS.
3) Sie lassen sich als technische Hilfsmittel nutzen.
Medien als Thema im Spracherwerb
. Die Einbeziehung von
Medien als Thema im
Spracherwerb
folgt den Kann-Bestimmungen des Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmens für Sprachen (GERR), in denen „Medien“ sowie „Techniken der
Informationsbeschaffung“ als Themen explizit genannt werden. Darauf gehen aktuelle
Lehrwerke ein und stellen zum Thema „Medien“ Lese- und Hörtexte sowie Anlässe zur
Sprachproduktion für SuS bereit. Schon im Anfängerunterricht (A2-Niveau) kann der
Zuwachs an Medien und unterschiedliche Medienkompetenzen der älteren und jungen
Generation thematisiert werden, wie es ein Hörtext im Lehrbuch
Ideen2
(Krenn/ Puchta
2009: 63), ein Dialog der Enkelin mit ihrem Großvater über Handynutzung, zeigt. Aufgrund
des beschränkten sprachlichen Repertoires der SuS fehlt auf dieser Stufe noch die Reflexion
des eigenen Medienkonsums und eine tiefergehende Analyse von Medienfunktionen. Nur
die Kommunikationsfunktion der Neuen Medien und die Unterhaltungsfunktion der
audiovisuellen Medien (Fernsehen) werden implizit behandelt.
Die SuS werden aufgefordert, die Ergebnisse der Studie auf der Folie des eigenen
Medienverhaltens zu diskutieren. Schließlich werden Tipps für sicheres Surfen gegeben und
die Lernenden in einer Schreibaufgabe angeregt, ein Klassenprojekt – eine Pinnwand mit
anonymen Berichten über schlechte Erfahrungen im Netz – zu gestalten. Auch in dieser
Aufgabe steht neben sprachlichen Zielen die Erziehung zum sinnvollen, reflektierten
Umgang mit Medien im Vordergrund.
Außerdem werden Wechselbeziehungen zwischen Lesen und Computergebrauch
thematisiert. Als Klassenprojekt wird die Erarbeitung eines Konzepts für ein lokales
Internetcafé vorgeschlagen. Ergebnisse der Medienforschung, Ziele der Medienerziehung
werden in
em neu
mit dem Fremdsprachenerwerb gekoppelt.
Aus diesem Überblick folgt, dass die Behandlung des Themas „Medien“ im FSU mit
jugendlichen Lernern oft medienerzieherische Akzente setzt. Zu diesem Zweck werden bei
steigenden sprachlichen Kompetenzen und mentaler Reife der Lernenden auch Ergebnisse
der Medienforschung präsentiert und die Lerner werden zur Reflexion des eigenen medialen
Verhaltens geführt.
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Neue Medien als technische Hilfsmittel für den Unterricht
. Immer mehr
Fremdsprachenlehrer greifen heute in der Vorbereitung ihres Unterrichts zum Computer. Über
das Internet treiben sie problemlos Recherchen nach landeskundlichen Informationen oder
geeigneten didaktischen Materialien. Die weltweite Vernetzung schätzen besonders die
Lehrkräfte, die an entlegenen Orten unterrichten, wo sie andernfalls keinen Zugriff auf
authentische Texte, Audiodateien, Filme oder Übungsmaterialien hätten. Eine andere viel
genutzte Funktion von Computern ist ihre Verwendung als „diskretes Schreibmedium“ (Huneke/
Steinig 2010: 214). Durch Textverarbeitungsprogramme lassen sich Irrtümer und Fehler, die im
Schreibprozess entstehen, spurlos tilgen, Texte beliebig oft, an jeder Stelle ergänzen, ändern oder
umstellen. Damit ist der Zwang zur Linearisierung der Gedanken im Schreibprozess nicht so
stark wie beim traditionellen Schreiben auf Papier, was der Nicht-Linearität der mentalen
Tätigkeit eher gerecht wird und somit das Verfassen von Texten erleichtert.
Was steht der Anwendung dieses Mediums im FSU entgegen, wenn es bei
Jugendlichen so beliebt ist? Sicherlich stellen der spezielle Kontext der Fremdsprache, die
besondere Chatsprache sowie für einen erfolgreichen Chatter unabdingbare verbale
Schlagfertigkeit, schnelle Auffassungsgabe sowie die Fähigkeit, Gedanken per Tastatur
schnell zu verschriftlichen (Rösler 2004:62) Hindernisse für den Einstieg in einen durch
Muttersprachler geführten Chat dar. Didaktische Chaträume, die ausdrücklich für
Sprachlerner betrieben werden, schaffen bei diesen Problemen Abhilfe und ermöglichen, die
Vorzüge – auf die es gerade im FSU schade wäre zu verzichten – zu nutzen. So kann ein
Chat zu einem echten Anwendungskontext für bereits Gelerntes werden. Der Chat als
schriftliche Realisierung der mündlichen Kommunikationsform erlaubt in gewisser Weise
das Gesprächsverhalten auszuprobieren, schult die Entwicklung von Strategien zur
Überbrückung eigener Sprachdefizite und den Erwerb von Gesprächsstrategien wie
Gesprächseröffnung und Beendigung, Einführung und Wechsel von Themen usw. Der Chat
offeriert auch Gelegenheiten zum ungesteuerten interkulturellen Lernen (Rösler 2004:63).
Andererseits kann man durch pädagogische Lenkung (Themenwahl, Reflexion des
kommunikativen Handelns in interkulturellen Interaktionen) dieses Ziel noch intensiver
anpeilen. So können Chats begleitend in internationalen Schulprojekten, bei denen die
Fremdsprache die Arbeitssprache ist, eingesetzt werden.
Die Neuen Medien bringen viele Anregungen in den FSU. Sie können zum Thema der
Konversation werden, eine Reflexion über Sprachgebrauch und Sprachwandel veranlassen oder
als nützliche Lernmittel verwendet werden. Bearbeitet man sie als Sprachthema, kann es
medienerzieherisch wirken und einen sinnvollen Umgang mit den Medien bei Jugendlichen
fördern. Nimmt man die Chatsprache unter die Lupe, kann man sich der Kreativität erfreuen
und Ungezwungenheit der mündlichen Kommunikation in der schriftlichen Form festhalten. Es
ist ratsamer, sie abwechselnd mit Präsenzphasen in didaktisch überzeugenden Konzeptionen zu
nutzen. Bis die Lehrkräfte solche Angebote erkennen, nutzen oder sogar selbst kreieren, muss
zuerst an der eigenen Medienkompetenz und Mediendidaktik gearbeitet werden und sie ihren
Platz in Lehreraus- und -fortbildung finden.
LITERATURVERZEICHNIS:
1.
Brandi, Marie L. (1997):
Video im Deutschunterricht.
– Berlin, München:
Langenscheidt.
2.
Clover, Luise (2006):
extr@.
– London: 4 Ventures Limited.Dürscheid, Christa
(2004): Netzsprache – ein neuer Mythos.
– Osnabrücker Beitrage zur Sprachtheorie 68.
Thema des Heftes: Internetbasierte Kommunikation,
141-157.
3.
Eggert, Susanne (2008): Mit Medien Interkulturalität gestalten. Medien als Mittel
interkultureller Verständigung. – In: H. Theunert (Hgg.):
Interkulturell mit Medien. Die Rolle der
Medien für Integration und interkulturelle Verständigung
, 97-109. München: koaped.